Müllers neue alte Entwicklungshilfe

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Umdenken und umsteuern? Entwicklungsminister Gerd Müller präsentiert das neue Konzept Anfang Mai in Berlin.

BMZ 2030
Das Reformkonzept von Entwicklungsminister Gerd Müller verspricht neue Antworten, wärmt aber vor allem altbekannte Ideen auf. Einzig bei der Reduzierung der Partnerländer hat sich offenbar ein Lerneffekt eingestellt.

Es gehört einfach dazu, dass man als Entwicklungsminister oder -ministerin wenigstens einmal während der Amtszeit eine Reform der deutschen Entwicklungszusammenarbeit anpackt und die der Öffentlichkeit dann als großen Schritt nach vorn verkauft. Das muss wohl deshalb sein, weil die Entwicklungspolitik ja irgendwie undankbar ist: Alle finden sie wichtig, trotzdem muss sie ständig um mehr Geld kämpfen, und sie steht permanent unter Druck, ihre Erfolge zu belegen.

Also muss der Chef oder die Chefin des Hauses sich ab und zu etwas Neues ausdenken, um sagen zu können: Alles, was man bisher schon getan habe, werde nun „noch besser“ und „noch gründlicher“ getan, nämlich die Armut und den Hunger bekämpfen, auf Menschenrechte pochen, schlechte Regierungsführung und Korruption nicht tolerieren und seit dem Jahr 2015 alles an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausrichten.

So liest sich das auch im Reformkonzept „BMZ 2030“, das Entwicklungsminister Gerd Müller vor Kurzem vorgelegt hat. Ein gutes Jahr hat das Ministerium darüber gebrütet, und dafür ist unterm Strich doch eher wenig herausgekommen. „BMZ 2030“ enthält kaum etwas, was der eine oder andere Amtsvorgänger von Müller nicht auch schon angestoßen hat, teilweise vor Jahrzehnten. Der CSU-Mann kann sich immerhin zugutehalten, dass er es schmissiger präsentiert.

„Eigeninitiative ist der Schlüssel für Entwicklung“

Das fängt mit der „neuen Qualität der Zusammenarbeit“ an: Das Ministerium fordert von den Partnerländern „noch stärker als bisher“ Fortschritte bei guter Regierungsführung, der Einhaltung der Menschenrechte und so weiter. Denn „Eigeninitiative ist der Schlüssel für Entwicklung“, heißt es in dem Konzept. Das klingt ein wenig wie die alte Formel „Entwicklungszusammenarbeit ist Hilfe zur Selbsthilfe“ – und die gilt mindestens so lang, wie ich mich journalistisch mit dem Thema befasse, also länger als ein Vierteljahrhundert.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".
Die Idee, die Zusammenarbeit mit Partnerländern an Kriterien für Reformwilligkeit zu knüpfen, hatte fast genauso schon Müllers Vorgänger und CSU-Parteifreund Carl-Dieter Spranger – und zwar im Jahr 1991. Spranger stellte damals viel zitierte und diskutierte „fünf Kriterien“ auf, darunter die Achtung der Menschenrechte und an Entwicklung orientiertes staatliches Handeln. Es sollte sich in den folgenden Jahren zeigen, dass sich die Entwicklungspolitik nicht immer ganz so strikt wie gedacht daran halten konnte: Mit zu vielen Ländern hätte die Zusammenarbeit sonst beendet werden müssen, vor allem mit solchen, die stark auf Hilfe angewiesen waren.

Wie ein Update der Politik von Wieczorek-Zeul

Auch die „neue Partnerschaftskategorie“ der „globalen Partner“, die Müller einführt, ist nicht neu. Das sind vor allem Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika, mit denen Deutschland gemeinsam globale Probleme wie den Klimawandel bearbeiten will. Auf dieselbe Idee ist vor ziemlich genau 17 Jahren bereits Müllers Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gekommen. Ihre „globalen Partner“ hießen damals „Ankerländer“, die „für die globale Armutsminderung und die globale Umweltpolitik“ besonders wichtig seien – so hieß es in einer Studie, die sich die SPD-Politikerin im Jahr 2003 vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik erstellen ließ.

Überhaupt scheint Wieczorek-Zeul Patin gestanden zu haben bei Müllers Reform. Insgesamt liest sich „BMZ 2030“ wie ein Update des Konzepts einer „globalen Strukturpolitik“, für das die Sozialdemokratin während ihrer Zeit als Entwicklungsministerin von 1998 bis 2009 getrommelt hat: weniger kleinteilige Projekte, stärker in größeren Zusammenhängen denken und handeln und Strukturen verändern, die Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt hervorbringen. Das war bei Wieczorek-Zeul richtig und das ist jetzt bei Müller richtig. Aber es ist nicht neu.

Anzeichen für eine bessere Koordination

Bleibt die Reduzierung der Zahl der Partnerländer. Auch das haben vor Müller schon andere Minister und Ministerinnen getan und so wie jetzt Müller mussten sie sich Fragen gefallen lassen, nach welchen Kriterien die Länder ausgesucht wurden, die von der Liste fliegen. Darüber lässt sich lange streiten, aber grundsätzlich ist es vernünftig, die Mittel zu konzentrieren. Die EU-Kommission hat das bereits vor 13 Jahren vorgeschlagen: Im sogenannten EU-Verhaltenskodex für Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik aus dem Jahr 2007 werden die europäischen Geberländer aufgefordert, sich stärker untereinander abzustimmen, wer in welchen Ländern in welchen Bereichen tätig ist – und sich gegebenenfalls aus Ländern zurückzuziehen und die Arbeit anderen Gebern zu überlassen.

Aus genau diesem Grund soll laut Müllers Reformplan die Zusammenarbeit etwa mit Haiti, Sierra Leone und Turkmenistan beendet werden – nicht ohne vorher allerdings eine Übergabe an andere Geber zu regeln. Das klingt, als habe sich das BMZ hier an den EU-Verhaltenskodex erinnert. Das wäre vorbildlich. Und es wäre tatsächlich auch ein bisschen neu in der internationalen Entwicklungspolitik: Meistens verschwinden Beschlüsse für eine bessere Geberkoordination, um die Wirksamkeit zu steigern, nämlich schnell in der Schublade und werden nicht mehr beachtet.

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Ich bin vor kurzem auf das E-Book "Die vergessene Friedensformel" gestoßen, in dem Franz Jedlicka die grundlegende Frage stellt, ob Gesellschaften friedlich werden können, solange Gewalt gegen Kinder in der Erziehung noch nicht verboten ist. Ich denke auch, dass EZA Aktivitäten an die Forderung geknüpft werden sollten, Gewalt gegen Kinder zu verbieten. Einige Länder in Afrika haben das bereits geschafft, wie auch auf endcorporalpunishment.org nachzulesen ist.

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